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 Anziehpuppen aus Papier


Im weiteren Verlauf der 40er tritt dann langsam wieder Normalität ein und Uniformen sind im Bereich der Ankleidepuppen nur noch Flugkapitänen und Stewardessen anzuziehen. Stattdessen haben die Paper Dolls bevorzugt das Freizeitverhalten der Amerikaner zum Thema. So erholen sich die Städter beispielsweise gerne auf einer „Dude Ranch“, in deutsche Verhältnisse übertragen eine Art „Ferien auf dem Bauerhof“ der luxuriösen Art.

 

 

 „Echte“ Cowboys kommen als Paper Dolls kaum vor, was nicht weiter verwunderlich ist, da Cowboys nicht eben den Ruf besitzen, mehrmals am Tag die Kleidung zu wechseln oder „für alle Fälle“ einen eleganten Anzug unter der Satteldecke parat zu haben und daher für diesen Spielzweck einfach nicht genug hergeben. Die „Dude Ranch“ hingegen hat den Vorteil, dass dort auch Frauen eine gute Figur machen können und so sind bei einem gleichnamigen Paper Doll neben dem abgebildeten Paar auf der Vorderseite noch einmal drei weibliche Papierpuppen auf der Rückseite des Covers zu entdecken. Für diese finden sich auf den Innenseiten entsprechende schicke Outfits mit jeder Menge Fransen, die die feinmotorischen Fähigkeiten des ausschneidenden Kindes auf eine harte Probe gestellt haben dürften und darüber hinaus natürlich etliche Kleider für abendliche Tanzveranstaltungen. Auch sonst tritt der „Wilde Westen“ meist nur als Rodeo-Show, selbstverständlich ebenfalls inklusive schmucker „Cowgirls“, in Erscheinung oder ist Thema in Heften über die Country-Sänger und Schauspieler Gene Autry und Roy Rogers, die Mitte der 30er in den USA als „Singing Cowboys“ zu großer Popularität gelangten.

Im Allgemeinen verbrachte man seinerzeit die Freizeit aber wohl nicht viel anders als heute. So führen uns die Paper Dolls an den Strand, in den „Circus“, zum „Carnival“, zum „Square Dance“ oder einfach nur zum Grillen in ihren Garten

 

              

 

 

 

 und lassen den heutigen Betrachter in Form ebenso ansprechender wie aussagekräftiger Illustrationen am amerikanischen „Lifestyle“ zur Mitte des vorangegangenen Jahrhunderts teilhaben.

Bemerkenswert ist sicherlich das in fast allen diesen Heften vermittelte Frauenbild. Wäre eigentlich zu erwarten, dass die Frauen gemäß der zu dieser Zeit vorherrschenden konservativ-traditionellen Rollenverteilung auch als Paper Dolls überwiegend in die Küche verbannt und auf ihre Funktion als treu sorgende Mutter reduziert wurden, werden sie im Gegenteil durchgängig selbstbewusst und eigenständig dargestellt. Karriere statt Küche lautet daher die Devise in etlichen Ausschneideheften, die „Career-Girls („Karrierefrauen“) in den Mittelpunkt stellen.

 

 

 Dort stoßen sie zwar nie in die wirklichen Top-Positionen vor, aber immerhin machen Sally, Sue, Jean, Lois und viele weitere ihrer Papierpuppenkolleginnen eine gute Figur als Chefsekretärin, Lehrerin oder Stewardess. Die beiden mit Abstand beliebtesten Berufe sind jedoch Balletttänzerin und natürlich Model. Gerade Paper Doll Hefte letztgenannten Sujets haben neben konventioneller Garderobe auch durchaus schon mal das eine oder andere ausgefallenere Kleidungsstück zu bieten und ermöglichen derart eine bunt gefächerte Zeitreise in die damalige Welt der Mode. Dass nach amerikanischem Selbstverständnis ein guter Job dann letztlich doch nicht das alleinige Ziel junger Frauen darstellen kann, belegt die unüberschaubar hohe Zahl von Ankleidepuppen zum Thema Heiraten.

 

                 

 

 

 

 Aus entsprechenden Heften können nicht nur die Braut- und Bräutigam-Figuren ausgeschnitten und dem feierlichen Anlass gemäß angekleidet werden, sondern darüber hinaus auch Brautjungfern sowie die jeweiligen Trauzeugen, die nach amerikanischer Gepflogenheit als „Maid of Honor“ und „Best Man“ zudem im Vorfeld der Hochzeit für die Organisation des Festes mitverantwortlich sind.

 

 

 Über die genannten hinaus sind natürlich auch alle anderen Themen vertreten, die Mädchen weltweit mit Vorliebe zum Gegenstand ihres Spielens machen, wie zum Beispiel in „Big Sisters in Paris"

 

Big Sisters in Paris, Abbott, um 1950

 das Reisen in fremde Länder oder in etlichen „Hund, Katze, Pony“ – Büchern die Liebe zum Tier. Eine typisch amerikanische Angelegenheit sind hingegen Ausschneidehefte, die das Teenager-Dasein und besonders das Highshool –Leben zum Gegenstand haben

 

                 

Junior Misses,  James & Jonathan INC., 1958

 

Junior Misses, Heftrückseite

 

Junior Misses, Innenseiten

 und mit ausgesprochen reizvollen Darstellungen von Popcorn, Party und Petticoat eine Augenweide für jeden heutigen Fifties-Fan darstellen.

Den weitaus größten Teilbereich in der Paper-Doll-Welt der 1930er und darauf folgenden Jahre bildet jedoch die Gruppe der Ausschneidehefte mit Abbildungen vornehmlich in der Welt des Films angesiedelter „Celebrities“ („Berühmtheiten“). Dies hängt zum einen damit zusammen, dass damals wie heute - warum auch immer - in weiten Kreisen der Bevölkerung grundsätzlich ein großes bis übergroßes Interesse an Stars vorhanden ist und liegt zum anderen daran, dass es durch den Siegeszug des Tonfilms so viele populäre Schauspieler gab wie nie zuvor. Erleichternd kam für die Produzenten der Paper Dolls hinzu, dass die Rechtefrage in den meisten Fällen wesentlich leichter abzuhandeln war als heute. Durch entsprechend allumfassende Verträge „gehörten“ viele der damaligen Leinwandhelden den Filmgesellschaften, bei denen sie unter Vertrag standen, förmlich „mit Haut und Haaren“ und da die Studios sich davon einen hohen Werbeeffekt versprachen, vergaben sie ihre Einwilligung für den Einsatz ihrer Schützlinge im Spielzeugbereich in der Regel recht großzügig.

 Neben diversen Filmgrößen, die vor allem innerhalb der USA selbst populär waren oder die mittlerweile in Vergessenheit geraten sind, stößt man im Bereich der Papierpuppen auch auf etliche Namen, die selbst nach mehreren Jahrzehnten nicht nur eingefleischten Kinofans immer noch ein Begriff sind: Elisabeth Taylor, Grace Kelly, Kim Novak, Julie Andrews, Jane Russell, Rita Hayworth und die „badende Venus“ Esther Williams

 

Esther Williams, Merrill, 1950

 

 

 

 

gehören ebenso in diese Gruppe wie Marilyn Monroe, der als Paper Doll aus modischen Gründen eine extreme Wespentaille verpasst wurde, wie sie das Sexsymbol im wirklichen Leben sicherlich niemals besessen hat. Vergleichsweise klein ist der Anteil an männlichen Schauspielern. Die es denn aber zu Paper-Doll-Ehren gebracht haben, sind zu den wirklichen Leinwandikonen zu zählen. So kann man Charlie Chaplin ebenso komplett neu einkleiden wie James „Jimmy“ Stewart oder Rock Hudson, dem offensichtlich ein sportliches Image verpasst werden sollte und für den deshalb neben locker-lässiger Freizeitkleidung und verschiedenen Filmoutfits sogar Boxhandschuhe und ein kompletter Taucheranzug vorhanden sind.

 

 

 

 

Hollywood-Beau Clark Gable bekommt man gleich in mehreren verschiedenen Versionen, dafür jedoch immer nur im Doppelpack mit Vivian Leigh, seiner nicht minder attraktiven Partnerin im Kinoklassiker „Vom Winde verweht.“ Mittelpunkt einiger Dutzend Ausschneidehefte und damit absoluter Favorit im Papierpuppenkosmos war mit Kinderstar Shirley Temple eine Schauspielerin, die bereits im zarten Alter von sechs Jahren einen Oscar gewann, damit bis heute die jüngste Preisträgerin überhaupt ist und gleich mehrere Zielgruppen ansprach. Nahm sie für gleichaltrige Kinder die Rolle eine Freundin ein, bedeutete sie für viele Erwachsenen einen Lichtblick am dunklen Horizont der Depressionszeit. So erreichten nicht nur entsprechende Paper Dolls hohe Verkaufszahlen, sondern auch Shirley-Temple-Puppen, zudem wurde ihre Breitband-Popularität mit großem kommerziellem Erfolg in der Werbung eingesetzt. Viele insbesondere der Star-Ausschneidehefte bieten in den 50er Jahren zudem ein attraktives Extra:

 

Doris Day, Whitman 1955, dänische Lizenzausgabe

 Während der einseitig bedruckte Pappumschlag bislang nur Träger der auszuschneidenden oder auszudrückenden Papierpuppen war und normalerweise recht bald weggeschmissen wurde, sind sämtliche Ausschneideteile jetzt separat im Innenteil zu finden. Gegen den dadurch unversehrt bleibenden äußeren Umschlag werden nun aber zwei mit einem zum Image des jeweiligen Stars passenden Motiv bedruckte Innenseiten geklebt, sodass nach Aufstellen des Ganzen eine hübsche Spielkulisse zur Verfügung steht

 

 

 Da die Innenseiten zudem einen horizontalen Schnitt aufweisen, entstehen Papiertaschen, die anschließend zur Aufbewahrung der Paper Dolls samt Accessoires genutzt werden können. Nicht wenige dieser Blätter sind derart gefällig illustriert, dass sie bereits für sich genommen schon als sammelwürdig erscheinen.


 

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