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DDR-Puppenstubenmöbel
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Bereits in den 50er Jahren wurde ein großer Anteil der in den traditionellen Spielzeughochburgen Thüringen und Erzgebirge gefertigten Spielwaren insbesondere im Bereich der Puppenstuben zum Zwecke der Devisenbeschaffung speziell für den Export in das kapitalistische Ausland produziert. Somit stellt es sicherlich ein Kuriosum dar, dass ein nicht geringer Teil dieser so anschaulich den bundesdeutschen Wirtschaftswunderwohlstand widerspiegelnden Miniaturen ausgerechnet in der sozialistischen DDR angefertigt wurden. Sind die meisten der dort bis Ende der 60er Jahre hergestellten Puppenmöbel stilistisch kaum von entsprechenden West-Erzeugnissen zu unterscheiden, entwickeln die Ost-Produkte im Laufe der 70er jedoch ein durchaus eigenständiges und mitunter - zumindest für das "West-Empfinden" - recht "schräg" daherkommendes Design. Zurückzuführen ist dies jedoch nicht allein auf geschmackliche Beweggründe, sondern auch auf produktions- und verkaufstechnische Gegebenheiten, wie ein entsprechender Aufsatz der Leiterin der Entwicklungsstelle der Firma Rühlke im DDR-Fachblatt „Spielzeug von heute“ aus dem Jahr 1969 erläutert: „Wir stellen nicht nur Spielzeug, sondern vielmehr auch Spielware her. Was nützen dem Betrieb die besten pädagogisch und psychologisch wertvollsten Entwicklungen, wenn sie sich nicht verkaufen lassen…Also heißt es, Kompromisslösungen zwischen Spielwert, Produktion, Material, Preis und Käuferwünschen zu finden.“ Auf der Suche „nach einem Weg, der dem neuesten technischen Entwicklungsstand und den Gegebenheiten unserer heutigen Umweltbedingungen entspricht“, entwickelt man bei Rühlke Puppenmöbel aus Holz-Plast-Kombinationen, die „durch den Einsatz des schweren Werkstoffes Holz die Standfestigkeit der leichten Plastgehäuse erhöhen“ und zudem für eine ansprechende Gestaltung sorgen, „indem wir die lustig sauberen Farben des Plastmaterials mit dem warmen Holzton kombinierten.“ Die Verfasserin des Textes empfindet im Folgenden die „neue Gestaltungslinie der Holz-Plast-Kombinationen als modern, aber nicht extravagant“ und hofft, dass „diese Möbel manchem bisher aus Angst vor dem Wagnis zurückschreckenden Einkäufer Mut geben, abzulassen von den altbewährten „Klamotten“ der 50er Jahre, die er absetzen konnte, ohne ein Risiko einzugehen.“ In den Wohnzimmern der DDR gehören Schrankwände in den 70ern zum gewohnten Bild. Da das Wohnungsbauprogramm von 1973 durch den vermehrten Bau von normierten Plattenbauten der „Wohnbauserie 70“ (WBS 70) den bestehenden Engpässen in der Wohnraumfrage zumindest quantitativ Abhilfe schaffen soll, konzentriert sich die Möbelproduktion vermehrt auf die Ausstattung dieser Neubauten. Für eine entsprechende Herstellung in Großserien bestens geeignet erweisen sich aus genormten Elementen individuell zusammenstellbare Kombinationen wie beispielsweise die 1967 auf der Leipziger Herbstmesse erstmals vorgestellten „Montagemöbel Deutsche Werkstätten“ (MDW). Vom damaligen Staatsratsvorsitzenden und gelernten Tischler Walter Ulbricht noch mit den Worten „das sind ja nur Bretter“ abgetan, entlockten „Zweckmäßigkeit und Schönheit“ der Neuentwicklung den Experten in der Folge aber durchweg positive Reaktionen und fanden sich in entsprechend verkleinertem Maßstab auch in den Puppenstuben der DDR. (Auszüge aus meinem Artikel "Puppenstuben 70er Jahre" im Sammlermagazin "Trödler" 7/2008) | Gänzlich neue Wege beschreitet die Firma Paul Bernhardt aus Bad Kösen, die 1971 ihren PEBE-Baukasten anbietet, aus dessen Einzelteilen „die Puppeneltern Puppenmöbel der verschiedensten Art“ komplett nach eigenen Vorstellungen zusammenfügen können. „Mit dem Montagemöbel-Baukasten kann das Kind die modernen Anbaumöbel nachgestalten, die in der Wohnung der Eltern stehen. Gerade weil immer mehr Menschen sich moderne Anbau- oder Montagemöbel anschaffen und die Möbelindustrie viel Neues auf den Markt bringt, sind diese Baukästen eine willkommenen Bereicherung…und das interessante An- und Übereinanderbauen der Bauelemente, das Knobeln nach der besten Gestaltungsvariante, macht das Spiel auch für Jungen reizvoll." |
| Toll illustrierter Karton "Puppenstubenmöbel" mit zeittypischer, am Hellerauer Möbelprogramm orientierter Anbau-Schrankwand im Miniaturformat, VEB Puppenmöbelwerk Kurort Seiffen, Maße 50 x 28 x 8 cm.
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Unten: "Alle Wohn- und Schlafzimmer des „VERO-Centa“-Programmes sind praktisch „gerade das Richtige für die Puppenmutti“, die ihre Puppenstube oder ihr Puppenhaus im Maßstab 1:15 mit modernen Möbeln ausstatten will. Diese Möbel sind darüber hinaus für das Kind geschmacksbildend. Sie fördern unsere sozialistische Wohnkultur." – Aus dem DDR-Fachorgan "Standardisierung Spielzeug", Heft 6/71 | Wohnzimmer, VERO Centa, um 1972, Gehäuse 34 x 16 x 22cm | | Schlafzimmer, VERO Centa, um 1972, Gehäuse 34 x 16 x 22cm |
| Hier hat sich jemand den Traum von einer Datsche zumindest im Miniaturformat erfüllt und für sein Bastelprojekt einen seinerzeit weit verbreiteten Datschentyp als Vorbild auserkoren, wie die DDR-Broschüre "Für den Gartenfreund - Moderne Städten der Erholung!" aus dem Jahr 1968 sehr schön belegt. Die vorhandene Restmöblierung (Sitzgruppe, Bett, Wandlampe) wurde von mir ergänzt.
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| "VERO Puppenstubenmöbel", Verkaufskarton
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Und mal wieder etwas zum Thema "es gibt beinahe nichts, was es im Puppenhausformat nicht gibt": Der "Schaukelwagen" nach dem Entwurf von Hans Brockhage aus dem Jahr 1950, eins der bekanntesten Beispiele für hervorragendes DDR-Design. Länge der Miniatur: 14cm.
| Der mit dem Foto eines "echten" Wohnzimmers illustrierte Geschenkkarton eines mir leider namentlich nicht bekannten DDR-Puppenhausmöbelherstellers dokumentiert erneut den Anspruch zur Realitätsbezogenheit der Spielzeuge.
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