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Spielzeugkaufläden der Nachkriegszeit

 
Text:Jörg Bohn - Erstveröffentlichung im Sammlermagazin "Trödler & Sammler Journal", Heft 02/2005
 

 
20.Juni 1948 - der Tag der Währungsreform. Über Nacht verändern die Schaufenster der Geschäfte ihr Erscheinungsbild.
Wo gestern noch die Auslagen und Regale den Eindruck von Kargheit vermittelten, sind sie heute, nach Einführung der deutschen Mark als neuem gesetztlichen Zahlungsmittel reichlich gefüllt und quellen mitunter geradezu über von Waren.
Viele spekulierende Geschäftsleute hatten ihre Bestände  zuvor der bis dahin verordneten Zwangsbewirtschaftung, d.h. der ausschließlichen Verteilung durch Entgegennahme von Lebensmittelkarten und Bezugsscheinen entzogen, sie gehortet und in geheimen Lagern versteckt.
Nun aber, da jeder Bewohner der drei unter westlicher Verwaltung stehenden Besatzungzonen nach dem Umtausch von 40 Reichsmark 40 DM in seiner Brieftasche hat, holen sie ihre zuvor zurückgehaltenen Vorräte ans Licht und lösen damit eine regelrechte Kaufeuphorie aus, sodaß dieser Stichtag eine wirtschaftliche Initialzündung bedeutenden Ausmaßes zur Folge hat.
Indem der Direktor des Wirtschaftsrates, Ludwig Erhard, bald darauf die Zwangsbewirtschaftung weitestgehend abschafft, damit dem illegalen Schwarzmarkt und Tauschhandel den Nährboden entzieht und gleichzeitig den Grundstein zu seinem legendären Ruf als "Vater des Wirtschaftswunders" legt (inwieweit berechtigt sei an dieser Stelle dahingestellt, da viele Grundlagen von einer Gruppe  heute namentlich nahezu in Vergessenheit geratener Wissenschaftler erarbeitet wurden), gibt er den Weg frei für die "Soziale Marktwirtschaft", in welcher Angebot und Nachfrage den Markt bestimmen.
Viele Entwicklungen und Veränderungen der Geschäftslandschaft und des Kaufverhaltens kann man bei eingehenderer Betrachtung auch an den in dieser Zeit gefertigten Kinderkaufläden ablesen.

 
Will man die Geschichte dieses Spielzeugs zurückverfolgen, so finden sich Marktstände samt Inventar als Vorläufer der Kaufläden bereits 1696 im Staatsinventar der englischen Prinzen verzeichnet, zu Beginn des 18.Jahrhunderts läßt sich die Fürstin Auguste Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt für ihre Puppenstadt "Mon Plaisir" eine Bäckerei fertigen und als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Miniaturen dieser Art auf wachsendes Interesse stoßen, entwickeln sich  Nürnberg sowie das erzgebirgische Seiffen innerhalb Deutschlands zu führenden Fabrikationsstätten.
Die Bezeichnung "Laden" übrigens entstand in einer Zeit, als es noch keine Fensterscheiben gab und leitet sich ab vom Fensterladen, den die Bäcker dreimal täglich aufklappten, um darauf zu den jeweiligen Mahlzeiten ihr frisches Brot feilzubieten - das in unserem Kulturkreis übliche Hauptnahrungsmittel vor Einführung und Verbreitung der Kartoffel.
Doch zurück zu den Spielzeugkaufläden im Deutschland der Nachkriegszeit:
Ende der vierziger Jahre unterscheiden sie sich noch wenig von den Vorkriegsexemplaren. Raumhohe hölzerne Wandregale und massive schwere Verkaufstheken spiegeln die Atmosphäre der realen Vorbilder wider, parallel zu  den deutschen Wohnzimmern, in welchen nach den Entbehrungen der Kriegsjahre die Möbel dem Geschmack ihrer Bewohner zufolge in erster Linie solide, langlebig und möglichst auch noch repräsentativ sein sollen.
Erst als es um 1956, in der Hochzeit des Wirtschaftswachstums, auch einer breiteren Bevölkerungsschicht materiell besser geht, können sich viele Menschen wieder mit Gedanken an Dinge beschäftigen, die über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinausgehen.
In den Geschäften  findet dies seine Entsprechung darin, daß die Inneneinrichtung über ihre Zweckmäßigkeit hinaus eine zum Verweilen einladende Atmosphäre erzeugen soll - der Kunde benötigt nicht mehr nur Artikel für den täglichen Bedarf, sondern ist zusätzlich offen für den Kauf von Luxusgütern und will umworben sein.
Helle Räume, leichte luftige Bauweisen, Pastelltöne im Stil der Zeit sowie Glastheken und -vitrinen, die den ungehinderten Blick auf die Waren zulassen, schaffen Kaufanreize und zugleich ein Umfeld, in dem der potentielle Käufer sich wohlfühlt.

 
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung vergrößert sich gleichzeitig das Warenangebot. Während es bisher überwiegend Erzeugnisse aus der Region zu kaufen gab, finden sich durch die Weiterentwicklung der Technik, die damit einhergehenden verbesserten Transportmöglichkeiten und besonders auch durch neuartige Kühlsysteme bald landesweit hergestellte und auch aus dem europäischen Ausland stammende Produkte in den Regalen.
1955 kommt eine Umfrage des Allensbacher Demoskopischen Instituts zu dem Ergebnis, daß der Kühlschrank noch vor Waschmaschine und Staubsauger eine Liste der Konsumgüter anführt, welche die Bundesbürger als notwendig zur Führung eines "angemessenen Lebensstandarts" erachten. Anfangs lediglich Luxusobjekt für Besserverdienende wird er dann aber recht bald durch die Produktion hoher Stückzahlen auch für den Normalverdiener erschwinglich.
Ging die Hausfrau bis dahin nahezu täglich einkaufen, führt dieses neue elektrische Großgerät zu einer immensen Vereinfachung der Haushaltsplanung. Etwaige Essensreste müssen nicht mehr mangels Haltbarkeit direkt am nächsten Tag verwertet werden und durch die nun mögliche Lagerung auch frischer und leicht verderblicher Nahrungsmittel können die Kunden Vorratshaltung betreiben..
Darauf reagieren folgerichtig die Händler, indem sie zum einen mehr verschiedene Artikel und diese zum anderen auch noch in jeweils größerer Stückzahl als bisher in ihr Sortiment aufnehmen.
Die beträchtliche Ausweitung des Warenangebots bringt jedoch mit sich, daß ein Geschäft mit persönlicher Bedienung zu kostenintensiv wird und sich wirtschaftlich für den Betreiber immer weniger rechnet. Das früher für die Bezahlung des Personals vorgesehene Budget fließt nun in Investitionskosten für größere Verkaufsflächen, Lagerhaltung, moderne Kassen und Kühlgeräte - der fließende Übergang zur Selbstbedienungsära hat begonnen. Nach einem Versuch 1939 in Osnabrück wird mit dieser neuen Warenvertriebsform erstmals wieder 1949 in Hamburg dauerhaft experimentiert, sie entwickelt sich aber aufgrund einer gewissen Scheu insbesondere auch älterer  Menschen vor dem Neuen, Ungewohnten nur recht zögerlich weiter. Viele vermissen beim Einkauf ohne Bedienung den gewohnten Austausch mit dem in der Regel über Neuigkeiten sowie "Klatsch und Tratsch" aus der näheren Umgebung bestens vertrauten Kaufmann; auch die Möglichkeit, bei einem finanziellen Engpass "anschreiben" zu lassen ist nicht mehr gegeben.
1952 liegt die Zahl der Selbstbedienungsläden erst bei 131, steigt über 512 im Jahre 1955 dann aber 1960 sprunghaft auf rund 23000 an um Anfang der 70er Jahre mit fast 150000 ihren Höhepunkt zu erreichen, wobei die letztgenannte Zahl bereits Supermärkte, Warenhäuser und Discounter berücksichtigt.
Diese Entwicklung vom Tante-Emma-Laden bis hin zum Supermarkt wird durch die abgebildeten Spielkaufläden recht anschaulich dokumentiert.

 
Bezüglich der Kriterien, nach welchen ein derartiges Spielzeug als sammelwürdig erachtet wird oder nicht, gehen die Meinungen sehr stark auseinander. So erweitert manch Liebhaber seine Sammlung nur um Stücke oder Einrichtungsgegenstände, die er professioneller Herstellung zuordnen kann oder die möglichst unbespielt sind.
Immer häufiger werden mittlerweile Vorkriegs-, zunehmend auch Nachkriegskaufläden in Internetauktionen oder auf Börsen ob ihres materiell wertvollen Inhalts oder direkt in ihrer Wertanlagenfunktion als kaufwürdig angepriesen.
Auch wenn interessante Stücke heute in der Regel nicht mehr für ein paar Euro zu haben sind, sollte man dennoch nicht vergessen, was ein Kaufladen im Grunde ist:
Bestandteil der Kindheit und damit der Lebensgeschichte eines ganz bestimmten Menschen, bei älteren Stücken oft sogar mehrerer aus verschiedener Generationen. Gerade bei Objekten der 50er - 70er Jahre läßt sich bisweilen durch gezielte Nachfrage beim Verkäufer noch einiges über den ursprünglichen Besitzer herausfinden. Und wer einmal erlebt hat, wie sich heute längst mitten im Leben stehende Erwachsene noch nach Jahrzehnten lebhaft ihrer Jugendzeit erinnern und vielleicht berichten, wie und wo mit dem Laden gespielt und nach welchen Kriterien er eingerichtet wurde, wird die Erfahrung dieser Begegnung in der Regel höher einschätzen als den materiellen Wert seiner neuen Errungenschaft. Darüber hinaus wird er in manchen Fällen zusätzlich noch aus erster Hand etwas über das tägliche Leben in der damaligen Zeit erfahren.
Weiterhin sollte man sich gut überlegen, eine Neuerwerbung zu gründlich zu reinigen (zu baden...), jede kleine Fehlstelle auszubessern oder gar zur Gänze mit einem neuen Anstrich zu versehen. Optisch mag das Stück auf diese Weise  annähernd in seinen Originalzustand  zurückversetzt werden können, seiner Spielspuren und damit auch einem Teil seiner ganz individuellen Geschichte wird es dadurch allerdings unwiederbringlich beraubt!

 
Viele Eltern versuchten mit Geschenken das nachzuholen, was Kriegs- und Nachkriegsjahre ihren Kindern schuldig geblieben waren und in der Folge entwickelten sich auch Kaufläden zu einem beliebten und weit verbreiteten Spielzeug.
Sie jeweils bestimmten Herstellern zuzuordnen erweist sich oftmals als schwierig, denn so manches Unternehmen behalf sich anfangs wie die Gebrüder Mathieu aus Frankenthal in der Pfalz:
1946 starteten sie die Fabrikation mit großem Improvisationsgeschick im eigenen Wohnhaus, lackiert  wurde in der Küche und die Holzvorräte stapelte man in den verschiedenen Zimmern.
Mitte der 50er begann die Blütezeit der Firma: im Hinterhof wurde eine Werkstatt nach der anderen eingerichtet und zeitweise waren 20 Hilfskräfte eingestellt, da mangels entsprechender Maschinen alles in aufwendiger Handarbeit gefertigt werden mußte.
Weil etliche Familienbetriebe aber nie über diesen "Hinterhofstatus" hinauskamen und wenn überhaupt, dann nur geringe Mittel für Zeitungsinserate oder Messebesuche zur Verfügung hatten, existieren heute kaum noch Hinweise auf Aussehen und Beschaffenheit ihrer Produkte.
Zudem sind sowohl Kaufladen- als auch Puppenstubengehäuse und Zubehör bis auf ganz wenige Ausnahmen nie mit Firmennamen versehen, wahrscheinlich weil das Gros der damaligen Hersteller dafür einfach keine Veranlassung gesehen hat, bemerkt Gisela Bickel im Ausstellungskatalog "Traumwelten der 50er Jahre - Puppenwelt und Wirklichkeit ".
Und wer konnte seinerzeit schon ahnen, daß sich Jahrzehnte später einmal Sammler für solche Fragen interessieren werden...
Recht einfach erweist sich hingegen die Bestimmung bei den auch heute noch verhältnismäßig häufig zu entdeckenden Erzeugnissen der Firma Kindler + Briel (Kibri) aus Böblingen: die Griffe zum Herausziehen der meist braun-beigen und später orangeroten Kunststoffschubladen erinnern in ihrer geschwungenen Form sehr stark an Adlerschnäbel im Profil.
Ein mit der Darstellung einer zeittypischen Straßenszene lithographiertes "Schaufenster" dominiert den zerlegbaren Blechladen der Nürnberger Firma Martin Fuchs, Messe-Neuheit aus dem Jahr 1962. Die "gesamte Ausstattung mit künstlichem Obst und Gemüse, Dosen, Flaschen und Miniatur-Markenverpackungen wird auf Wunsch mitgeliefert." Der abgebildete Miniatur-Einkaufswagen ist eine originalgetreu gestaltete Nachbildung des großen Vorbildes Pickup-1 der Firma Wanzl, eines der allerersten Modelle der anfangs mit großer Skepsis beäugten und heutzutage kaum noch wegzudenkenden Gefährte.
Auch in unserer Zeit noch recht modern mutet der Supermarkt der "Crailsheimer Spielwarenfabrik Richard Dietrich KG" an, obwohl er bereits 1963 Einzug in die Regale der Spielwarenhandlungen hielt. "Im geschlossenen Zustand ist er das Modell eines Geschäftshauses. Nach Aufklappen der beiden Hälften kann mit der Ladeneinrichtung ungehindert gespielt werden", heißt es in einem zeitgenössischen Werbeinserat. Sein transparentes Kunststoffgehäuse sowie eine sehr filigran und detailgetreu gearbeitete Inneneinrichtung sorgen zwar für eine ansprechende Optik, verhinderten aber augenscheinlich, daß eine nennenswerte Anzahl von Exemplaren das Bespieltwerden durch Kinderhände überstanden hat und machen ihn so zu einem recht selten anzutreffenden Sammelobjekt. Dazu kommt noch die damalig vorhandene und auch heute erst langsam im Schwinden begriffene allgemeine Geringschätzung von "Plastikspielzeug", welches im Falle eines Defektes wesentlich schneller den Weg in die Mülltonne fand als das entsprechende Holzspielzeug.
Dabei handelt es sich gerade in diesem Fall um ein Zeitzeugnis ersten Ranges, welches sehr anschaulich die immer stärker werdende Ausrichtung des Ladenbaus hin zur Selbstbedienung deutlich werden läßt.
Gegenläufig zur realen Entwicklung haben sich Spielsupermärkte nach dem Crailsheimer Vorbild nicht durchsetzen können, in der Regel strahlen heutige Kinderkaufläden immer noch Tante-Emma-Gemütlichkeit aus. Dies mag zum einen damit zusammenhängen, daß die direkte Kommunikation zwischen (Kinder-)Kaufmann und "Kunde", sowie das Abwiegen und Verpacken einen hohen Spielwert mit sich bringen, es mag zum anderen aber auch daran liegen, daß sich schenkende Eltern oder Großeltern beim Spielzeugkauf gerne an ihre eigene Kindheit erinnern, an "die gute alte Zeit"...
Nachdem die Eigenschaften des Werkstoffs "Plastik" gegen Ende der 50er Jahre stetig verbessert sowie neue Fertigungsmethoden entwickelt und perfektioniert werden, steigt auch die Zahl der aus diesem Material gefertigten Spielzeuge.
Beim Vakuum-Tiefziehverfahren wird z.B. eine thermoelastische (d.h. durch Zufuhr von Wärme verformbare) Kunststoffplatte mit Hilfe von Druck und Vakuum über eine Form gezogen und härtet anschließend wieder aus. Da sich so auf rationelle und kostensparende Art und Weise unter anderem Rückwände und andere Bauteile von Kaufläden fertigen lassen, machen einige Hersteller bald regen Gebrauch von dieser neuen Technik.
Ohne Zweifel selbstgebaut und gerade deshalb von hoher Aussagekraft ist ein in den späten 40er Jahren entstandener rosafarben gestrichener Laden.
Gehäuse und Aufbauten wurden aus Kistenbrettern gefertigt und das von ausrangierten alten Garnrollen gestützte Wandregal sowie die für die Beschriftungen der Schublaben verwendeten unbedruckten Randstücke von Briefmarkenbögen legen beredtes Zeugnis einer Zeit ab, in der großer Mangel an Materialien aller Art herrschte und in der sich Kinder mit handwerklich begabten Angehörigen glücklich schätzen konnten.
Unter der originalen Bestückung finden sich z.B. "Bouillo klare Fleischbrühe in Friedensqualität", "Kaffee Ersatz Mischung" aus Getreide und "Sarotti Hafer Kakao", letztere Zeugen für den Erfindungsreichtum der Menschen, zu improvisieren und aus wenig etwas zu machen wie in der Zeit der Nachkriegsjahre.
Später selbstverständliche Handelsgüter wie z.B. Bohnenkaffee schienen (und waren) zu dieser Zeit für "Normalsterbliche" unerreichbar.
Beliebt und daher in vielen verschiedenen Varianten erhältlich waren auch Gehäuse, welche man samt Miniaturschachteln nach beendetem Spiel einfach zusammenklappen und anschließend aufgrund ihrer geringen Abmessungen leicht in Schubladen oder Schränken verstauen konnte. Im Rahmen der abgedruckten Bildbeispiele repräsentieren "Backwaren-Feinkost" mit einer um die eigene Achse zu drehenden und dadurch von hinten bestückbaren Schauvitrine sowie "Süssmäulchen" diese Unterabteilung. Letzterer bietet mit seiner beweglichen Eingangstür noch ein zusätzliches, den Spielwert in nicht geringem Maße erhöhendes Extra.  

 
Zwei der schönsten und stilistisch mutigsten Kaufläden (vor allem in der DDR war auch die Bezeichnung "Kaufmannsladen" sehr geläufig) stammen aus dem Erzgebirge und wurden gefertigt von der Holz- und Spielwarenfabrik Robert Schneider in Niederneuschönberg, bzw. dem Betrieb Seiffener Spielwaren.
Allgegenwärtige Nierenform, Schubladen die an der Rückwand regelrecht zu schweben scheinen und fragile Glasregale vereinigen hier die Elemente, welche die neuen, modernen 50er Jahre ausmachen, auf äußerst gelungene Art und Weise.

 
Der Hersteller Moritz Gottschalk aus Marienberg zeichnet für den abgebildeten Kiosk mit über Eck gehendem großflächigen Schaufenster und asymmetrisch abgewinkeltem Dach ebenso verantwortlich wie für den Laden mit den Schüben aus transparenten, bunt eingefärbten "Plasten".
1865 gegründet entwickelt sich das Unternehmen bald durch eine breite und den Publikumsgeschmack treffende Produktpalette an Puppenhäusern, Kaufläden, Ställen und Ritterburgen zu einem weltweit operierenden Spielwarenhersteller mit Vertretungen in London, Paris, Amsterdam sowie den USA und erwirbt sich durch die übergroße Vielfalt, aber auch durch die Qualität der Produkte seinen heute bei Sammlern nahezu legendären Ruf.
Nach der Enteignung zum Kriegsende gelingt eine baldige Wiederaufnahme der Produktion, wenn auch in wesentlich kleinerem Rahmen.
"Als man 1972 in Ostdeutschland begann, alle mittelständischen Betriebe zu verstaatlichen, wurde auch diese Firma  in einen "Volkseigenen Betrieb" umgewandelt. In der "VEB-Holzspielwaren-Marienberg", zu der nun auch die Gottschalk-Fabrik gehörte, wurden nur noch Teile von Spielwaren produziert, entworfen und zusammengesetzt wurden sie woanders", beschreibt Swantje Köhler die Situation in dem Buch "Moritz Gottschalk 1892-1931" . Dies war gleichbedeutend mit dem eigentlichen Ende des ehemaligen Weltunternehmens .
Der Betrieb, ebenso wie viele andere aus Thüringen und dem Erzgebirge, "wurde dann ein Teil der VEB VERO, die noch einige Jahre unter ihrem eigenen Namen Puppenhäuser aus dem Fundus Gottschalks herstellte".
Diese Eingliederung in VERO (VEB vereinigte Erzgebirgische Spielwarenwerke Olbernhau) erklärt Johannes Dähnert anläßlich seiner Festrede zum 80-jährigen Bestehen der Linus Dähnert OHG in Wünschendorf damit, daß es  nach dem unseligen Krieg leider nicht zu einer spürbaren Weiterentwicklung im Unternehmen kam."Aus diesem Grunde ergab sich immer zwingender die Notwendigkeit, mit der immer mehr fortschreitenden Sozialisierung unseres Arbeiter- und Bauernstaates Schritt zu halten und unseren Betrieb neuzeitlichen Produktionsverhältnissen anzupassen, also den Betrieb mit staatlicher Beteiligung weiterzuführen"...  

 
Allgemein sind die Gehäuse, von wenigen Ausnahmen abgesehen, anhand ihrer stilistischen Umsetzung  nicht auf Anhieb der Herstellung in Deutschland-West oder Deutschland-Ost zuzuordnen, zumal die in der DDR produzierten Exemplare von vornherein auch für den Export in das Ausland vorgesehen waren. Dies wurde durch die Zusammenfassung der gesamten Spielwarenproduktion innerhalb einer zentralen staatlichen Handelsorganisation ermöglicht, welche "die ökonomischen Beziehungen der DDR zu den Ländern des kapitalistischen Wirtschaftsgebietes" regelte und dafür Sorge trug, daß ein Großteil der Erzeugnisse auch in der Bundesrepublik zu erwerben war. Insgesamt resultieren aus DDR-Sicht "auf der Grundlage des wachsenden Warenaustausches" im Jahre 1962 mehr als 90 Prozent der zwischenstaatlichen Zahlungen aus Handelsoperationen. Der Zahlungsverkehr ist im Rahmen eines Clearing-Abkommens geregelt, abgerechnet wird in "Verrechnungseinheiten", berichtet "Standardisierung-Spielzeug, das universelle Fachorgan für den Industriezweig Spielwaren" der DDR.

 
Eklatante Unterschiede zwischen den beiden Teilen Deutschlands werden in den grundlegend verschiedenen Zusammenstellungen der Miniaturverpackungen offensichtlich, da sich die ehemaligen drei westlichen und die sowjetische Besatzungszone bekanntermaßen nicht nur in den theoretischen Grundlagen ihrer politischen Systeme sondern auch in der Praxis des alltäglichen Lebens in sehr verschiedene Richtungen weiterentwickelten.

 
Die in den Kinderkaufläden ablesbare Geschichte der Lebensmittelunternehmen im westlichen  Nachkriegsdeutschland ist zugleich auch die Geschichte des Siegeszuges der Markenartikel.
Während zuvor das übliche Sortiment aus einer durchaus überschaubaren Anzahl von Produkten namentlich bekannter Hersteller, überwiegend aber aus in Fässern, Säcken, Gläsern und beschrifteten Schüben aufbewahrter markenloser Ware besteht und nach Wunsch des Kunden individuell abgewogen und verpackt wird, schießt mit Einführung der Selbstbedienung jedoch die Zahl der bereits fertig in normierten Größen abgefüllten Markenprodukte schlagartig in die Höhe. Und da der Tätigkeitsbereich des Kaufmanns immer mehr von einem aktiv beratenden und verkaufenden in einen administrativen übergeht, müssen die Verkaufspackungen über ihre Funktion als Schutzhülle hinaus zum einen durch ansprechende und unverwechselbare Gestaltung den potentiellen Käufer erst einmal interessieren und zum anderen mit aufgedruckten Produktinformationen möglichst zugleich auch informieren.
Da Kunden durch die Erweiterung des Warenangebotes nun immer häufiger zwischen verschiedenen Marken zu wählen haben, wenn sie ein bestimmtes Nahrungsmittel erwerben möchten, wächst rasch auch die der Reklame zukommende Bedeutung. Schon früh sind sich daher die Werbestrategen der Firmen darüber im Klaren, welch positiver Werbeeffekt und frühzeitige Markenbindung sich mit der Plazierung ihrer Produkte in Kinderkaufläden erzielen läßt.
Gerne kooperieren sie mit Herstellern der Miniaturschachteln wie J.J.Landmann und Paul Pfannkuch aus Nürnberg, der Fa. Rieker aus Stuttgart und dem auch heute noch in den Spielwarenregalen vertretenen 1903 gegründeten Familienunternehmen Chr. Tanner , liefern Druckvorlagen und übernehmen üblicherweise auch 50% der Herstellungskosten. Überwiegend kommen nur Erzeugnisse mit prominenten Namen in Kinderhand. Da die Eltern wie im Selbstbedienungsladen auch im Spielzeuggeschäft gerne auf die Produkte der Marktführer zurückgreifen, gelangen kleinere Firmen eher selten in die Sortimente.
Wer sich jedoch darauf spezialisiert, möglichst viele verschiedene Miniaturpackungen zu sammeln, wird dennoch bald ein vielfältiges Sammelsurium bunter Schächtelchen sein Eigen nennen können und auch eine Menge Anschauungsmaterial zum Thema "Produktdesign im Wandel der Zeit" erhalten, da einige in diesem Segment des Product-Placement besonders engagierte Firmen wirklich jede Änderung der Originalschachtel auch auf das kleine Format übertragen haben.
Ab 1950 ist z.B. Persil wieder in den Regalen zu finden, was für Ludwig Erhard, wie er sich später erinnert, dazu beitrug "daß im Volke das Vertrauen erwuchs, daß nun wieder Friede eingekehrt sei." Persil bildet im übrigen auch ein interessantes Bindeglied zu den in der DDR vertriebenen Kaufladenschachteln, da im VEB Waschmittelwerk Genthin ohne juristisch einwandfreien  Besitz der Markenrechte weiter Waschmittel unter diesem Namen hergestellt, zur Devisenbeschaffung in Interschops verkauft, sowie schließlich als Nachbildungen auch für die Kinderkaufläden produziert wurden.
Die Zahl der Miniaturschachteln von in der DDR vertriebebenen VEB Produkten ist recht überschaubar, das Aussehen in der Regel unspektakulär und auf Zweckmäßigkeit ausgerichtet. Sehens- und sammelnswerter sind  häufig die dazugehörigen Geschenkkartons, in der Mehrzahl mit sehr schönen und anschaulichen Illustrationen zeittypischer Geschäftsszenen versehen.
Als Werbeträger bestens geeignet erweisen sich schließlich auch die zur Grundausstattung eines jeden Kaufladen gehörenden Papiertüten, in welche der "kleine Kaufmann" lose Waren wie z.B. aus Gips oder Masse gefertigtes Obst und Gemüse abpacken kann. Aufgedruckte Reklamesprüche wie der einer Kellerei: "Meinen kleinen Kunden wird dieser Sekt auch später munden" sind heutzutage glücklicherweise nicht mehr denkbar, obwohl Flaschenminiaturen alkoholischer Getränke bis in die Mitte der 70er Jahre zum Standartrepertoire eines jeden Warensortimentes gehörten.
Verwunderlich ist, daß augenscheinlich kein Verantwortlicher bei den Einkaufsgenossenschaften wie Edeka, Rewe, Kaiser's Kaffeegeschäft oder Spar auf die Idee kam, auch die Kaufladengehäuse selbst  mit entsprechender Werbung zu versehen, um sie dann entweder in Eigenregie herzustellen oder bei einem entsprechenden Produzenten in Auftrag zu geben.
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Sehr informativ und unterhaltsam kann es sein, wenn man das Glück hat, in den Besitz eines Ladens mit kompletter und noch nicht von einem Händler gesichteter oder vorsortierter Warenbestückung zu gelangen.
Zum einen ermöglicht dies die ungefähre zeitliche Einordnung (Tip: auf den Internet-Homepages sehr vieler Firmen gibt es detaillierte bebilderte Überblicke zur jeweiligen Produktgeschichte), zum anderen bergen sich darin bisweilen nette Überraschungen, die oftmals Rückschlüsse auf das jeweilige Kind und seine Lebensumstände zulassen.
Leergegessene bzw. im gegenteiligen Fall noch mit dem originalen Puffreis befüllte Schachteln geben häufig Auskunft über das Süssigkeitenangebot im familiären Haushalt. Nur wenn dies entsprechend groß war, konnte sich ein Kind den Luxus erlauben, die kleinen Körner zu verschmähen.    
Und das Auffinden einer Sammlung mumifizierter Käfer ist sicherlich nicht nach jedermanns Geschmack, gibt aber Aufschluss über ein gewisses naturwissenschaftliches Interesse des ursprünglichen Besitzers, während angekokelte Packungen und Reste von Kerzenwachs dessen Experimentierfreude belegen...

 
Erheblichen Anteil am hohen Spielwert eines Kaufladens haben Waage und Kasse, beide in einer solchen Vielfalt von Formen und Farben hergestellt, daß sie im Grunde ein eigenes Sammelgebiet darstellen und es den vorliegenden Rahmen sprengen würde, in gebührendem Maße darauf einzugehen.
Sowieso erweist es sich in der Regel als schwierig, dieses Zubehör aufgrund seiner Größe in die Einrichtung eines Ladens mit einzubeziehen, da das vorrangige Kriterium bei der Konzipierung und Herstellung logischerweise die Bespielbarkeit durch Kinderhände darstellte und nicht etwa das dekorative Erscheinungsbild hinter dem Glas einer Sammlervitrine.
Ebenfalls durch ihre Größe, allerdings in ganz anderen Dimensionen,  nehmen auch die sogenannten Standkaufläden eine Sonderstellung ein. Als Hersteller sind hier wiederum die Gebrüder Mathieu, Kibri sowie zusätzlich die Firma Elfriede Lipfert aus Küps bei Kronach zu nennen. Letztere mit einer in dieser Zeit des Aufbruchs in ähnlicher Form häufig wiederkehrenden und nicht nur im Spielwarenbereich typischen Erfolgsgeschichte:1946 begann man unter schwierigsten Umständen mit einer kleinen Produktion bemalter Holzknöpfe, nach der Währungsreform folgte der Wechsel zu Haushaltartikeln wie Nudelhölzern und Flaschenkästen. Zu den Spielwaren kam die Firmeninhaberin, als ihre Tochter ein kleines Spielzeug haben wollte und sie dem Kind einen Kaufladen bastelte. Dieser gefiel so gut, daß sie sich entschloss, auf der Nürnberger Spielzeugmesse damit auszustellen. Sie stieß mit ihrem Angebot auf eine derart große Nachfrage, daß sie im Laufe der nächsten Jahre ihr Unternehmen Stück für Stück ausbauen konnte und in der Blütezeit der Firma bis in die europäischen Nachbarländer exportierte.  
Aufgrund ihrer realitätsnahen Bespielbarkeit für jedes Kind sicherlich das Nonplusultra, fanden Stehkaufläden mangels notwendigem Platz aber eher selten den Einzug in die flächenmäßig sehr spärlich bemessenen Kinderzimmer der 50er und 60er Jahre. Auch der Anschaffungspreis war recht hoch. Während man z.B. einen einfachen Tischkaufladen mit vier Schubladen von Mathieu  zu Beginn der 60er
Jahre bereits für 5,40 DM erwerben konnte, mußte man für die günstigste Version eines großen "Kaufstandes" mindestens 29 DM anlegen.
Während die kleinen Läden kompakt in Kartons verstaut oftmals viele Jahre in Kellern und auf Speichern ihren Dornröschenschlaf hielten oder noch halten, um irgendwann wieder ans Tageslicht geholt zu werden, landeten ihre großen und schwer unterzubringenden Gegenstücke leider oftmals im Sperrmüll.
Dieses Schicksal erspart blieb glücklicherweise dem abgebildeten "Feinkost-Spirituosen-Südfrüchte Stand", von privater Hand gekonnt bemalt mit Statussymbolen aus der Speisekammer:
"Die Südfrüchte waren der besondere Stolz der Westdeutschen und ein häufig gebrauchtes Argument gegen die Ostzone. Denn obwohl sich die Lebensmittelversorgung auch dort allmählich besserte, waren Zitrusfrüchte in der DDR nach wie vor Mangelware" (Jungwirth/Kromschröder, "Die Pubertät der Republik"). Gegen Ende der 50er Jahre, als mit den ersten Nonstop-Flügen in die USA das "Düsenzeitalter" beginnt, ist man sogar weltweit der größte Importeur dieser exotischen Bereicherung des Speisezettels.
Die dicke Speckschicht des aufgemalten Räucherschinkens kann als "Vorbote" der Fresswelle angesehen werden, die auf die Deutschen zurollte.
Im Bemühen, lang entbehrtes nachzuholen, schoß man in puncto Essensaufnahme bald über das Ziel hinaus. Noch wichtiger als die Qualität der Speisen war nämlich deren Quantität. Viel und fett zu essen galt als gesund, Übergewicht war Symbol des neuerworbenen Wohlstandes und über allem stand als gängiges und vielzitiertes Motto der Ausspruch: "Wir sind wieder wer!"  

 
Erwähnt werden soll schließlich noch, daß nach unseren persönlichen und keineswegs Anspruch auf Repräsentativität erhebenden Befragungen von Frauen und Männern, die als Kinder ein solches Spielzeug besaßen, die kleineren Tischkaufläden in den 50ern überwiegend von Mädchen, die Standkaufläden indes in der Mehrheit von Jungen bespielt wurden.
Intention der schenkenden Eltern war hierbei im Normalfall nicht, daß der Sohn später einmal den Beruf des Kaufmanns ergreifen soll, sondern, wie im Katalog zur Spielwarenausstellung 1984 im Historischen Museum Frankfurt festgestellt wird "eine positive Bewertung von Arbeit. Weil das Spiel mit der Mikrowelt der Arbeit Vergnügen machte, stellte sich ein positives Gefühl zur Arbeit selbst her. Sie wurde als abwechslungsreich, interessant und erfüllend erlebt. Mit dieser Erfahrung war der Junge zu der Leistung in der Lage, die man später im Beruf von ihm erwartete".
Gleichzeitig vermittelt das Rollenspiel Grundlagen des zwischenmenschlichen Miteinanders.

 
Einige der heute beliebtesten Gestaltungsvarianten kamen wohl in den damaligen Kinderzimmern derart nicht vor. So haben wir während unserer Sammleraktivitäten niemanden getroffen, der als Kind seinen Kaufladen als Lampen- oder Radiogeschäft einrichtete und die wenigsten Kinder stellten ein Püppchen als Verkäufer hinter die Ladentheke.
Da die überwiegende Zahl von Kaufladensammlern weiblichen Geschlechts ist, kann man folglich feststellen, daß es offenbar nicht nur das "Kind im Manne" gibt, welches Miniaturzüge durch detailgetreu nachgebildete Landschaften fahren läßt oder ein Schuco-Auto im Vitrinen-Diorama an der lithographierten Zapfsäule betankt, sondern sicherlich auch das "Mädchen in der Frau".
Denn ist das Einrichten und Dekorieren von Kaufläden und Puppenstuben auch oder gerade unter dem Aspekt des musealen und dokumentierenden Sammelns nicht im Grunde gleichzeitig eine sublime Art des Bespielens?
Was also kann einem Spielzeug schöneres widerfahren, als noch im fortgeschrittenen Alter und als seriöses Sammlerstück einen derartigen Reiz auszuüben und dadurch erneut seiner ureigensten Bestimmung zugeführt zu werden...?